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Johann Wolfgang Goethe (1749-1832)

Die Leiden des jungen Werthers

Leipzig, in der Weygandſchen Buchhandlung, 1787



Herausgegeben von John Simms















© 2012 John Simms

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[front cover]


























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[marbled end paper]


























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[marbled end paper]


























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                                      Titelkupfer I Band











                       [etching]











Romberg                                        Geyser 16

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                    G o e t h e ' s
                   S ch r i f t e n.
                      ------------
                  E r ſt e r  B a n d.






                       [etching]
                 J.W. Meil inv del a je







                    L e i p z i g ,

    b e y  G e o r g  J o a ch i m  G ö ſ c h e n ,
                        1 7 8 7.


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             Verzeichniß der Subſcribenten.
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Se. Durchlaucht der regierende Fürſt
          von Anhalt=Deſſau.                       1 Expl.
Ihro Königliche Hoheit die Fürſtinn von
          Anhalt=Deſſau.                           1  =
Ihro Durchlaucht die Erbprinzeſſinn
          von Baden.                               1  =
Se. Durchlaucht der Erbprinz Franz
          Sachſen=Coburg                           1  =
Se. Durchlaucht der regierende Fürſt
          von Curland und Semgallen.               1  =
Ihro Durchlaucht die Fürſtinn von Gal=
          lizin, geborne Gräfinn von
          Schmettau, in Münſter.                   1  =
Se. Durchlaucht der Prinz Baris von
          Gallizin in Paris.                       1  =
Se. Durchlaucht der Prinz Auguſt von
          Sachſen=Gotha.                           5  =
Se. Durchlaucht der Erbprinz von
          Sachſen=Gotha.                           1  =
Se. Durchlaucht der Prinz Friedrich
          Sachſen=Gotha.                           1  =
                          1 2

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IV

Se. Durchlaucht der Erbprinz von Heſſen=
          Darmſtadt.                               1 Expl.























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                  Z u e i g n u n g .













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                      L e i d e n

                         d e s

             j u n g e n   W e r t h e r s.

                 ---------------------

                  E r ſt e s  B u ch.








Goethe's W.  I. B           A

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Was ich von der Geſchichte des armen

Werthers nur habe auffinden können, habe

ich mit Fleiß geſammelt, und lege es euch

hier vor, und weiß, daß ihr mir's danken

werdet.  Ihr könnt ſeinem Geiſte und ſei=

nem Character eure Bewunderung und

Liebe, ſeinem Schickſale eure Thränen

nicht verſagen.

                           A 2                       Und 

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  Und du gute Seele, die du eben den

Drang fühlſt, wie er, ſchöpfe Troſt aus

ſeinem Leiden, und laß das Büchlein dei=

nen Freund ſeyn, wenn du aus Geſchick

oder eigener Schuld keinen nähern finden

kannſt!



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                                                    Wie

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                                         A m  4.  M a y.

Wie froh bin ich, daß ich weg bin!  Beſter
Freund, was iſt das Herz des Menſchen!  Dich
zu verlaſſen, den ich so liebe, von dem ich un=
zertrennlich war, und froh zu ſeyn!  Ich weiß,
du verzeihſt mir's.  Waren nicht meine übri=
gen Verbindungen recht ausgeſucht vom Schick=
ſal, um ein Herz wie das meinige zu ängſtigen?
Die arme Leonore!  Und doch war ich unſchul=
dig.  Konnt' ich dafür, daß, während die eigen=
ſinnigen Reitze ihrer Schweſter mir eine ange=
                          A 3                      nehme

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6            W e r t h e r s  L e i d e n.

nehme Unterhaltung verſchafften, daß eine Lei=
denſchaft in dem armen Herzen ſich bildete?
Und doch - bin ich ganz unſchuldig?  Hab' ich
nicht ihre Empfindungen genährt? hab' ich
mich nicht an den ganz wahren Ausdrücken der
Natur, die uns ſo oft zu lachen machten, ſo
wenig lächerlich ſie waren, ſelbſt ergetzt? hab'
ich nicht - O was iſt der Menſch, daß er über
ſich klagen darf!  Ich will, lieber Freund, ich
verſpreche dir's, ich will mich beſſern, will nicht
mehr ein Bißchen Übel, das uns das Schickſal
vorlegt, wiederkäuen, wie ich's immer gethan
habe; ich will das Gegenwärtige genießen,
und das Vergangene ſoll mir vergangen ſeyn.
Gewiß du haſt recht, Beſter, der Schmerzen
wären minder unter den Menſchen, wenn ſie
nicht - Gott weiß, warum ſie ſo gemacht
ſind! - mit ſo viel Emſigkeit der Einbildungs=
kraft ſich beſchäftigten, die Erinnerungen des
vergangenen Übels zurück zu
rufen, eher als
eine gleichgültige Gegenwart zu ertragen.

                                                      Du

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                    E r st es  Buch.                   7

   Du biſt ſo gut, meiner Mutter zu ſagen,
daß ich ihr Geſchäft beſtens betreiben, und ihr
ehſtens Nachricht davon geben werde.  Ich habe
meine Tante geſprochen, und bey weitem das
böſe Weib nicht gefunden, das man bey uns aus
ihr macht.  Sie iſt eine muntere, heftige Frau,
von dem beſten Herzen.  Ich erklärte ihr meiner
Mutter Beſchwerden über den zurückgehaltenen
Erbſchaftsantheil; sie ſagte mir ihre Gründe,
Urſachen und die Bedingungen, unter wel=
chen ſie bereit wäre alles heraus zu geben,
und mehr, als wir verlangten - Kurz, ich
mag jetzt nichts davon ſchreiben;
ſage meiner
Mutter, es werde alles gut gehen.  Und ich
habe, mein Lieber, wieder bey dieſem kleinen
Geſchäft gefunden: daß Mißverſtändniſſe und
Trägheit vielleicht mehr Irrungen in der Welt
machen, als Liſt und Boßheit.  Wenigſtens ſind
die beyden letztern gewiß ſeltner.



                          A 4                      Übri=

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8            W e r t h e r s  L e i d e n.

   Übrigens befinde ich mich hier gar wohl.
Die Einſamkeit iſt meinem Herzen köſtlicher
Balſam in dieſer paradieſiſchen Gegend, und
dieſe Jahrszeit der Jugend wärmt mit aller
Fülle mein oft ſchauderndes Herz.   Jeder
Baum, jede Hecke iſt ein Strauß von Blüthen,
und man möchte zum Maykäfer werden, um in
dem Meer von Wohlgerüchen herumſchweben,
und alle ſeine Nahrung darin finden zu können.


   Die Stadt ſelbſt iſt unangenehm, dagegen
rings umher eine unausſprechliche Schönheit der
Natur.  Das bewog den verſtorbenen  Grafen
von M*** seinen Garten auf einem der Hü=
gel anzulegen, die mit der ſchönſten Mannich=
faltigkeit ſich kreutzen, und die lieblichſten Thäler
bilden.  Der Garten iſt einfach, und man fühlt
gleich bey dem Eintritte, daß nicht ein wiſſen=
ſchaftlicher Gärtner, ſondern ein fühlendes Herz
den Plan gezeichnet, das ſeiner ſelbſt hier ge=
nießen wollte.  Schon manche Thräne hab' ich
                                                     dem

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                    E r st es  Buch.                   9

dem Abgeſchiedenen in dem verfallenen Cabinet=
chen geweint, das ſein Lieblingsplätzchen war,
und auch meines iſt.  Bald werde ich Herr vom
Garten ſeyn; der Gärtner iſt mir zugethan,
nur ſeit den paar Tagen, und er wird ſich nicht
übel dabey befinden.






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                          A 5                       Eine

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